Magenzellen - Pflanzenstoff aus Wein beeinflusst Säuresekretion über Bitterrezeptor

Freising, 27. Oktober 2021 - Gallussäure ist ein sekundärer Pflanzeninhaltsstoff, der in Wein oder grünem Tee enthalten ist. Ein österreichisches-deutsches Wissenschaftlerteam um Veronika Somoza, hat jetzt Hinweise darauf gefunden, dass Gallussäure die Magensäurefreisetzung beeinflusst, indem es einen Bitterrezeptor aktiviert. Die Studienergebnisse geben einen neuen Einblick in die noch unbekannten Funktionen von Bitterrezeptoren im Zusammenspiel mit geschmacksaktiven Lebensmittelinhaltsstoffen.

Veronika Somoza ist stellvertretende Leiterin des Instituts für Physiologische Chemie an der Fakultät für Chemie der Universität Wien und Direktorin des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München (LSB). Seit langem erforscht sie die physiologische Wirkung von geschmacksaktiven Substanzen, die natürlicherweise in Lebensmitteln enthalten sind. Zu diesen gehört auch Gallussäure, die beispielsweise Weiß- oder Rotwein einen adstringierenden Geschmack verleiht, das heißt, auf der Zunge und im Mund ein leicht raues, trockenes Gefühl erzeugt. Obwohl umstritten, lassen einige Studien annehmen, dass Gallussäure zudem auch bitter schmeckt.

Gallussäure für Forschung interessant

Dies macht Gallussäure für die Forschung interessant. Denn immer mehr wissenschaftliche Arbeiten belegen, dass Bitterstoffe und deren Rezeptoren nicht nur für die Geschmackswahrnehmung wichtig sind. „Bitterrezeptoren finden sich zwar auf der Zunge. Aber auch andere Organe wie der Magen, das Herz oder die Lunge verfügen über diese Geschmacksrezeptoren“, weiß Erstautorin Sonja Sterneder, die an der Wiener Fakultät für Chemie promoviert. Welche physiologischen Funktionen sie dort erfüllen, sei jedoch noch nicht hinreichend erforscht, so die Ernährungswissenschaftlerin weiter. Die aktuelle Studie trägt nun dazu bei, ein weiteres Puzzleteil zum funktionellen Gesamtbild der Bitterstoffe und ihrer Rezeptoren hinzuzufügen.

Wie das Team um Veronika Somoza zunächst im Rahmen von Sensoriktests feststellte, schmeckt in Wasser gelöste Gallussäure bitterer als Leitungswasser und dies bereits ab einer sehr geringen Dosis (10 Mikromolar; 1,7 mg/L). Ebenso beobachtete das Team, dass der Bittergeschmack konzentrationsabhängig ist und sich mit steigender Dosis (bis 1.000 Mikromolar) verstärkt.

Pflanzenstoff stimuliert Säuresekretion

Anschließend untersuchte das Wissenschaftlerteam mithilfe eines zellulären Testsystems wie Gallussäure auf Magenzellen wirkt, die natürlicherweise über verschiedene Bitterrezeptortypen verfügen. Wie es beobachtete, stimulierte der Pflanzenstoff die Magenzellen zur Säuresekretion, egal ob die Forschenden ihn in Wasser oder in Rotwein gelöst zum Nährmedium hinzugegeben hatten.

Weitere umfangreiche molekularbiologische Untersuchungen des Teams lassen zudem annehmen, dass Gallussäure diese Wirkung über den Geschmacksrezeptor TAS2R4 entfaltet. Computergestützte Strukturanalysen des Rezeptors und virtuelle Dockingexperimente des Leibniz-Instituts unterstützen diese Annahme.

„Bereits unsere früheren Studien zur Wirkung von Koffein weisen darauf hin, dass der Bitterrezeptor TAS2R43 an der Regulation der Magensäuresekretion beteiligt ist. Nun haben wir Belege für die Beteiligung eines weiteren Bitterrezeptors gefunden, der sich ebenso sowohl auf der Zunge als auch auf Magenzellen findet“, sagt Veronika Somoza. Auch zukünftig will das Team um Somoza die molekularen Zusammenhänge zwischen Bitterstoffen und Bitterrezeptoren ergründen, mit dem Ziel, die Bekömmlichkeit von Lebensmitteln zu verbessern.

Publikation:
Sterneder S, Stoeger V, Dugulin CA, Liszt KI, Di Pizio A, Korntheuer K, Dunkel A, Eder R, Ley JP, Somoza V (2021) J Agric Food Chem, 69(36):10550-10561, DOI: 10.1021/acs.jafc.1c03061. Astringent gallic acid in red wine regulates mechanisms of gastric acid secretion via activation of bitter taste sensing receptor TAS2R4 https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acs.jafc.1c03061

An der Studie waren die Symrise AG mit Sitz in Holzminden sowie die Höhere Bundeslehranstalt für Wein- und Obstbau Klosterneuburg in Österreich beteiligt.

Mehr Informationen:

Menschen verfügen über 25 verschiedene Bitterrezeptortypen. Einige von ihnen erkennen nur eine kleine Auswahl von bitteren Substanzen. Andere sind dagegen in der Lage, ein breites Spektrum unterschiedlichster Bitterstoffe zu detektieren.

Neues zu Bitterstoffen aus Kaffee - Warum Koffein nicht allein zur Bitterkeit beiträgt
Freising, 17.06.2020 - Weltweit ist Kaffee trotz oder auch wegen seines Bittergeschmacks sehr beliebt. Dabei tragen Kaffeeinhaltsstoffe wie Koffein unterschiedlich stark zur Bitterkeit bei. Eine aktuelle Studie des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie (LSB) und der Technischen Universität München (TUM) gibt nun neue Einblicke in das molekulare Zusammenspiel zwischen Bitterstoffen und Bitterrezeptoren. Dies ist nicht nur für die Geschmackswahrnehmung relevant… Lesen Sie weiter in: https://www.leibniz-lsb.de/presse-oeffentlichkeit/pressemitteilungen/pm-20200617-pressemitteilung-bitterstoffe-im-kaffee/

Bitterrezeptoren in Mund und Magen wirken regulierend auf die koffeinbedingte Magensäureausschüttung
Der anregend wirkende Bitterstoff Koffein kann die Freisetzung von Salzsäure im Magen sowohl stimulieren als auch verzögern, je nachdem, ob er Bitterrezeptoren im Magen oder im Mund aktiviert… Lesen Sie weiter in: https://www.dife.de/news/archiv/details-archiv/bitterrezeptoren-in-mund-und-magen-wirken-regulierend-auf-die-koffeinbedingte-magensaeureausschuettung-82/

oder: Liszt KI, Ley JP, Lieder B, Behrens M, Stöger V, Reiner A, Hochkogler CM, Köck E, Marchiori A, Hans J, Widder S, Krammer G, Sanger GJ, Somoza MM, Meyerhof W, Somoza V (2017) Proc Natl Acad Sci, 114(30):E6260-E6269, DOI: 10.1073/pnas.1703728114. Caffeine induces gastric acid secretion via bitter taste signaling in gastric parietal cells, https://www.pnas.org/content/114/30/E6260

Kontakt:

Expertenkontakt und Direktorin am LSB:

Prof. Dr. Veronika Somoza
Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie
an der Technischen Universität München (LSB)
Lise-Meitner-Str. 34
85354 Freising
E-Mail: v.somoza.leibniz-lsb(at)tum.de

Presseverantwortlich für das LSB:

Dr. Gisela Olias
Wissenstransfer, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: +49 8161 71-2980
E-Mail: g.olias.leibniz-lsb(at)tum.de
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Informationen zum Institut:

Das Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München (LSB) besitzt ein einzigartiges Forschungsprofil an der Schnittstelle zwischen Lebensmittelchemie & Biologie, Chemosensoren & Technologie sowie Bioinformatik & Maschinelles Lernen. Weit über die bisherige Kerndisziplin der klassischen Lebensmittelchemie hinausgewachsen, leitet das Institut die Entwicklung einer Systembiologie der Lebensmittel ein.

Primäres Forschungsziel ist es, neue Ansätze für die nachhaltige Produktion ausreichender Mengen an Lebensmitteln zu entwickeln, deren Inhaltsstoff- und Funktionsprofile an den gesundheitlichen und nutritiven Bedürfnissen, aber auch den Präferenzen der Verbraucherinnen und Verbraucher ausgerichtet sind. Hierzu erforscht es die komplexen Netzwerke der sensorisch relevanten Inhaltsstoffe entlang der gesamten Lebensmittelproduktionskette mit dem Fokus, deren physiologische Wirkungen systemisch verständlich und langfristig vorhersagbar zu machen.

Das LSB ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, die 96 selbständige Forschungseinrichtungen verbindet. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 20.000 Personen, darunter 10.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,9 Milliarden Euro.

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