Fortschritt in der Bioanalytik: Herstellung von RNA-Chips deutlich vereinfacht

Eine gemeinsame Pressemitteilung der Universität Wien/Fakultät für Chemie und des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München (LSB)

RNA-Chips können der Erforschung neuer Methoden zur Diagnose und Behandlung von Erkrankungen wie Krebs dienen

Wien/Freising, 26. Juli 2022 - Biochips (Microarrays) sind moderne Analysewerkzeuge, die es erlauben, in einer geringen Menge von Probenmaterial gleichzeitig tausende von Einzelnachweisen durchzuführen. Ein Team um Mark Somoza von der Fakultät für Chemie der Universität Wien hat nun eine neue Methode in der Fachzeitschrift „Nature Communications“ vorgestellt. Mit dieser lassen sich kommerziell erhältliche DNA-Chips schnell und einfach in sonst deutlich schwerer herzustellende RNA-Chips umwandeln. Solche RNA-Microarrays tragen dazu bei, die noch unbekannten Funktionen von RNA-Molekülen in Zellen zu ergründen − eine wichtige Voraussetzung, um die Diagnose und Behandlung von Krankheiten wie Krebs voranzutreiben.

DNA und RNA sind Nukleinsäuren; ihre wohl bekanntesten Aufgaben in unseren Zellen sind die Langzeitspeicherung der Erbinformation in Form von DNA, sowie RNA als Zwischenprodukt der Biosynthese von Proteinen. Kommerziell erhältliche DNA-Microarrays dienen standardmäßig dazu, Genomanalysen im Hochdurchsatz durchzuführen. Sie finden zum Beispiel regelmäßig Anwendung in der Diagnostik von verschiedenen Erbkrankheiten und Krebs. Sie bestehen aus einem festen Träger, beispielsweise einer kleinen Glasplatte, auf der eine große Anzahl verschiedener DNA-Moleküle gebunden ist. Die Besonderheit liegt einerseits darin, dass für jede dieser Varianten ihre exakte Position auf der Oberfläche bekannt ist. Andererseits können sie extrem dicht gepackt sein, sodass hunderttausende von unterschiedlichen DNA-Strängen auf der Fläche eines Daumennagels Platz finden.

RNA-Chip-Produktion bislang aufwendig

Die kommerzielle Produktion von DNA-Chips basiert auf der schrittweisen Verkettung einzelner DNA-Bausteine. Obwohl diese Herstellungsmethode längst etabliert ist, lässt sie sich nur bedingt auf die Synthese von RNA-Microarrays übertragen. Denn RNA-Moleküle sind deutlich instabiler. Ebenso binden die einzelnen RNA-Bausteine beim Aufbau des RNA-Strangs mit einer geringeren Effizienz aneinander als ihre DNA-Äquivalente. Dieser Effekt limitiert die mögliche Länge des RNA-Strangs. „Um insbesondere die noch unbekannten Aufgaben von zellulären RNA-Molekülen zu untersuchen, sind jedoch Chips mit deutlich längeren RNA-Strängen erforderlich, als sie bisher mit der chemischen Synthese von RNA-Microarrays erreichbar waren. Unsere neue Methode löst nun dieses Problem“, erklärt Erstautorin Erika Schaudy, Jungwissenschaftlerin in der Gruppe von Mark Somoza am Institut für Anorganische Chemie der Universität Wien.

Gezielter Einsatz von Enzymen macht’s möglich

Wie das Wiener Forschungsteam nun zeigt, lassen sich die auf kommerziellen Chips vorhandenen DNA-Sequenzen durch den gezielten Einsatz von Enzymen längenunabhängig in ihre komplementären RNA-Stränge umschreiben. Weitere Enzyme bauen dann die DNA-Vorlagen selektiv ab, so dass schließlich ein RNA-Chip entsteht.

„Das Herausragende ist, dass die von uns entwickelte Herstellungsmethode allein auf kommerziell erhältlichen Materialien und Reagenzien basiert. Eine spezialisierte Laborausstattung ist nicht nötig. Dies ermöglicht nun Forschenden unterschiedlichster Disziplinen selbst RNA-Microarrays herzustellen, die genau auf ihre wissenschaftlichen Fragestellungen zugeschnitten sind“, freut sich Erika Schaudy.

Mark Somoza, der auch eine Arbeitsgruppe am Freisinger Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München leitet, ergänzt: „Wir haben mit dieser schnellen und einfach durchzuführenden Methodik zudem eine wichtige Grundlage für weitere Anwendungsmöglichkeiten geschaffen. So könnte die RNA-Technologie zum Beispiel ebenso dabei helfen, den Einfluss von Lebensmittelinhaltstoffen auf zelluläre Prozesse und damit die menschliche Gesundheit zu untersuchen.“

Erstautorin Erika Schaudy vom Institut für Anorganische Chemie an der Fakultät für Chemie der Universität Wien war eine von 14 ausgewählten Jungwissenschafter*innen, die ihre Forschung im Rahmen der "Next Gen Science Session" bei der jüngst zu Ende gegangenen Lindauer Nobelpreisträgertagung 2022 vorstellen konnte. Ihr Vortrag vom 27. Juni mit dem Titel "Light-Directed Synthesis of Complex Nucleic Acid Libraries" kann hier nachgeschaut werden: Video - Next Gen Science (2022) : Presentations by young scientists (lindau-nobel.org)

Publikation: Schaudy, E., Hölz, K., Lietard, J. & Somoza M.M. (2022). Simple synthesis of massively parallel RNA microarrays via enzymatic conversion from DNA microarrays. Nat Commun 13, 3772. 10.1038/s41467-022-31370-9. https://www.nature.com/articles/s41467-022-31370-9

Die frei verfügbare Publikation ist ebenfalls gelistet bei den „Editor Highlights“ von Nature Communications: https://www.nature.com/collections/idhhgedgig

Kontakte:

Assoz. Prof. Mark Somoza, Privatdoz. PhD
Institut für Anorganische Chemie
Fakultät für Chemie, Universität Wien;
Währinger Straße 42, 1090 Wien

Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie
an der Technischen Universität München (LSB);

Tel.: +43-1-4277-52643
E-Mail: mark.somoza(at)univie.ac.at
www.univie.ac.at

Dr. Erika Schaudy
Institut für Anorganische Chemie
Fakultät für Chemie, Universität Wien
Josef-Holaubek-Platz 2 (UZA II)
1090 Wien
Tel.: +43 1 4277-52644
E-mail: erika.schaudy(at)univie.ac.at

Pressekontakt an der Universität Wien:

Theresa Bittermann
Media Relations, Universität Wien
Universitätsring 1, 1010 Wien
E-Mail: theresa.bittermann(at)univie.ac.at
www.univie.ac.at

Pressekontakt am LSB:

Dr. Gisela Olias
Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie
an der Technischen Universität München (LSB)
Wissenstransfer, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Tel.: +49 8161 71-2980
E-Mail: g.olias.leibniz-lsb(at)tum.de
www.leibniz-lsb.de

Informationen zum Institut:

Das Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München (LSB) besitzt ein einzigartiges Forschungsprofil an der Schnittstelle zwischen Lebensmittelchemie & Biologie, Chemosensoren & Technologie sowie Bioinformatik & Maschinelles Lernen. Weit über die bisherige Kerndisziplin der klassischen Lebensmittelchemie hinausgewachsen, leitet das Institut die Entwicklung einer Systembiologie der Lebensmittel ein. Sein Ziel ist es, neue Ansätze für die nachhaltige Produktion ausreichender Mengen an Lebensmitteln zu entwickeln, deren Inhaltsstoff- und Funktionsprofile an den gesundheitlichen und nutritiven Bedürfnissen, aber auch den Präferenzen der Verbraucherinnen und Verbraucher ausgerichtet sind. Hierzu erforscht es die komplexen Netzwerke sensorisch relevanter Lebensmittelinhaltsstoffe entlang der gesamten Wertschöpfungskette mit dem Fokus, deren physiologische Wirkungen systemisch verständlich und langfristig vorhersagbar zu machen.

Das Leibniz-Institut ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, die 97 selbständige Forschungseinrichtungen verbindet. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 20.000 Personen, darunter 10.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,9 Milliarden Euro.

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