Mehl-Schnelltest weiterentwickelt

Backqualität von Dinkel-, Emmer- und Einkorn-Vollkornmehl nun schneller vorhersagbar

Freising 03.09.2018

Die Ergebnisse einer Vergleichsstudie des Leibniz-Instituts für Lebensmittel-Systembiologie an der TU München (Leibniz-LSB@TUM) erlauben es erstmals, die Backqualität von Dinkel-, Emmer- und Einkorn-Vollkornmehl schnell und verlässlich vorherzusagen. Die neuen Resultate könnten zukünftig dazu beitragen, zeitraubende und aufwendige Voruntersuchungen im Labor zu ersetzen. Die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen veröffentlichten ihre Ergebnisse jetzt im Journal of Cereal Science.

Glutengehalt und -zusammensetzung bestimmen die Backeigenschaften

Gluten ist der Oberbegriff für ein Gemisch aus verschiedenen Speichereiweißen, die natürlicherweise im Korn und damit auch im Mehl von modernem Weizen, aber auch ursprünglichen Weizenarten wie Dinkel, Emmer und Einkorn enthalten sind. Vielen ist Gluten im Zusammenhang mit der Darmerkrankung Zöliakie bekannt. Bedeutend weniger Menschen wissen jedoch, dass der Glutengehalt insgesamt ebenso wie die Zusammensetzung des Glutens maßgeblich die Backeigenschaften von Mehlen bestimmen.

Das Gluten moderner Weizenarten verleiht dem Mehl eine hohe Wasseraufnahmefähigkeit und dem Teig Gashaltevermögen, Viskosität sowie Elastizität. Übliches Weizenmehl verfügt daher über sehr gute Backeigenschaften. „Mehle von Dinkel, Emmer und Einkorn enthalten zwar etwas mehr Gluten als herkömmliches Weizenmehl. Das Gluten ist jedoch anders zusammengesetzt. Die Folge ist, dass diese Mehle meist schlechtere Backeigenschaften besitzen“, erklärt Erstautorin Sabrina Geißlitz vom Leibniz-LSB@TUM. Aus solchen Mehlen hergestellte Brote seien in ihrer Struktur deutlich kompakter, krümeliger und weniger voluminös als Weizenbrot. Um dennoch die besten Backergebnisse zu erzielen, sei es laut Expertin wichtig, die Getreidemehle vorab auf ihre Backqualität zu testen und die geeignetsten auszuwählen. Denn nicht nur die Getreideart, sondern auch die Getreidesorte und die Anbaubedingungen beeinflussen die Glutenqualität.

Da moderne Weizenarten aufgrund ihrer hohen Erträge weltweitweit sehr verbreitet sind, gibt es für deren Mehle bereits standardisierte Schnelltests. Diese bestimmen die Backqualität, indem sie das Aggregationsverhalten des im Mehl enthaltenen Glutens innerhalb weniger Minuten messen. Um die Backqualität von Dinkel-, Emmer- und Einkorn-Mehlen zu ermitteln, sind jedoch immer noch zeitaufwendige Backtests im Labor notwendig. Sie erfordern zudem erfahrenes Fachpersonal sowie größere Probenmengen.

40 Getreidesorten im Vergleich

Um Abhilfe für das Problem zu schaffen, hat ein Team des Leibniz-LSB@TUM erstmals ein Schnelltestverfahren für Dinkel-, Emmer- und Einkorn-Vollkornmehle standardisiert. Hierzu untersuchten die Forschenden die Mehle von jeweils acht verschiedenen Weizen-, Hartweizen-, Dinkel-, Emmer- und Einkornsorten, die unter den gleichen geografischen und klimatischen Bedingungen gewachsen waren. Mit Hilfe unterschiedlicher Analysemethoden ermittelten sie die Werte zum Eiweißgehalt, zur Zusammensetzung und zum Aggregationsverhalten von Gluten und setzten die Daten in Beziehung zu den Teig- sowie den Backeigenschaften der unterschiedlichen Mehle.

„Aufgrund der genormten Anbaubedingungen, haben wir erstmals verlässliche Vergleichsdaten für die verschiedenen Weizenarten erheben können“, sagt Katharina Scherf, Arbeitsgruppenleiterin am Leibniz-LSB@TUM. Nur so sei es möglich gewesen, einen bereits existierenden Mehl-Schnelltest so zu optimieren, dass er die Backqualität von Mehlen ursprünglicher Weizenarten präzise vorhersage.

Scherf ist zuversichtlich, dass die Studienergebnisse künftig in der Praxis Anwendung finden. Denn optimierte Schnelltests trügen schon heute wesentlich dazu bei, die Arbeit von Bäckern zu erleichtern. Zudem seien schmackhafte und bekömmliche Vollkornprodukte aus Dinkel, Emmer und Einkorn von vielen Menschen aus gesundheitlichen Gründen zunehmend gefragt.

Publikation: 

Geisslitz S, Wieser H, Scherf KA, Koehler P (2018) J Cereal Sci, DOI: 10.1016/j.jcs.2018.08.012. Gluten protein composition and aggregation properties as predictors for bread volume of common wheat, spelt, durum wheat, emmer and einkorn www.sciencedirect.com/science/article/pii/S0733521018304636

Finanzierung:

Das o.g. Forschungsprojekt der Forschungsvereinigung Forschungskreis der Ernährungsindustrie e.V. wurde über die Arbeitsgemeinschaft industrieller Forschungsvereinigungen „Otto von Guericke“ e.V. im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

Hintergrundinformationen zum Download:

Informationen zu glutenhaltigen Getreidearten

Informationen zu Weizenkleber und Backqualität

Informationen zur Verträglichkeit von Weizen

Kontakt:

Dr. Katharina Scherf
Sektion I
Leiterin der Arbeitsgruppe 
Functional Biopolymer Chemistry
Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie
an der Technischen Universität München
Lise-Meitner-Str. 34
85354 Freising

Tel.: +49 8161 71-2927
E-Mail: k.scherf.leibniz-lsb(at)tum.de

Presseverantwortlich:

Dr. Gisela Olias
Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie
an der Technischen Universität München
Lise-Meitner-Str. 34
85354 Freising

Tel.: +49 8161 71-2980
E-Mail: g.olias.leibniz-lsb(at)tum.de
www.leibniz-lsb.de

Das Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München (Leibniz-LSB@TUM) besitzt ein neues, einzigartiges Forschungsprofil. Seine Wissenschaftler kombinieren Methoden der biomolekularen Grundlagenforschung mit Analysemethoden der Bioinformatik und analytischen Hochleistungstechnologien. Ihr Ziel ist es, die komplexen Inhaltsstoffprofile von Rohstoffen bis hin zu den finalen Lebensmittelprodukten zu entschlüsseln und deren Funktion als biologische Wirkmoleküle auf den Menschen aufzuklären. Basierend auf ihrer Forschung entwickelte Produkte sollen dazu beitragen, die Bevölkerung auch in Zukunft nachhaltig und ausreichend mit gesundheitsfördernden, wohlschmeckenden Lebensmitteln zu versorgen. Darüber hinaus sollen die neu gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse dazu dienen, personalisierte Ernährungskonzepte zu entwickeln, die zum Beispiel Menschen mit einer Nahrungsmittelunverträglichkeit helfen, ohne dass die Lebensqualität eingeschränkt und die Gesundheit gefährdet ist.

Das Leibniz-LSB@TUM ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, die 93 selbständige Forschungseinrichtungen verbindet. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 19.100 Personen, darunter 9.900 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,9 Milliarden Euro.