Kakao-Fehlaromen sicher erkennen – Nicht nur für Schokoladenfans relevant

Freising, 20. April 2021
Muffig-schimmlig, rauchig oder nach Pferdedung riechender Kakao ist für die Schokoladenproduktion nicht geeignet. Ein Wissenschaftlerteam um Martin Steinhaus vom Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München hat im Rahmen eines größeren Forschungsprojektes die Geruchsstoffe identifiziert, die für solche Fehlaromen verantwortlich sind. Unternehmen können nun die Forschungsergebnisse nutzen, um die sensorische Güte von Rohkakao anhand von Geruchsstoffkonzentrationen objektiv zu beurteilen. Das Forschungsteam publizierte seine Daten im Journal of Agricultural and Food Chemistry.

Wer mag schon Schokolade, die nach Rauch oder Schimmel riecht oder deren Aroma an Pferdestallgeruch oder Mottenkugeln erinnert? Insbesondere für kleine und mittelständische Betriebe sind Fehlaromen ein großes Problem. Gelangen solche mit Fehlaromen belastete Rohkakaochargen in die Produktion, kann ihnen ein immenser wirtschaftlicher Schaden entstehen. Fehlnoten gleich bei der Wareneingangskontrolle zu erkennen und auszusortieren, ist daher essentiell. Dies war aber bislang nur mit Einschränkungen durch sensorisch geschultes Personal möglich. Eine Möglichkeit, die Chargen anhand von messbaren Konzentrationen der verantwortlichen Geruchsstoffe objektiv zu bewerten, fehlte bisher.

Im Rahmen eines Projektes des Forschungskreises der Ernährungsindustrie hat das Team um den Lebensmittelchemiker Martin Steinhaus nun wesentlich dazu beigetragen, das Problem zu lösen. Mit Hilfe eines am Leibniz-Institut etablierten molekularsensorischen Konzeptes hat die Forschungsgruppe die Schlüsselgeruchsstoffe identifiziert, die maßgeblich zu typischen Fehlaromanoten im Rohkakao beitragen.

Fehlaromen von schinkenartig-rauchig bis schimmlig-muffig

In Kakaoproben mit schinkenartig-rauchigem Fehlgeruch identifizierte das Team sechs für das Fehlaroma entscheidende Geruchsstoffe. Die Substanzen rochen rauchig, schinkenartig, phenolisch oder pferdestallartig. In neun anderen Proben mit schimmlig-muffigem Geruch fanden die Forschenden vier weitere Fehlaromastoffe. Diese rochen schimmlig, muffig, nach roter Bete, fäkalisch oder nach Mottenkugeln. Zudem bestimmte das Forschungsteam die Geruchsschwellenwerte der identifizierten Substanzen, um von diesen Grenzwerte ableiten zu können.  

So empfiehlt das Team in seiner jüngsten Publikation die maximal tolerierbare Konzentration für den Fehlaromastoff Geosmin auf 1,6 Mikrogramm pro Kilogramm Rohkakao festzulegen. Der Geruchsstoff besitzt schon in geringsten Konzentrationen einen muffig-erdigen Geruch, der an rote Bete erinnert und ist vermutlich bakteriellen Ursprungs. Für fäkalisch, nach Mottenkugeln riechendes 3-Methyl-1H-indol empfehlen die Forschenden, einen Grenzwert von 1,1 Mikrogramm pro Kilogramm Rohkakao nicht zu überschreiten.

Auch die Geruchsstoffverteilung ist wichtig

Wie die Befunde des Forschungsteams zudem zeigen, befinden sich etwa 40 bis 65 Prozent des gesamten Geosmins in der Samenschale (Testa) der Rohkakao-Bohnen. Im Gegensatz dazu war der Fehlaromastoff 3-Methyl-1H-indol vorwiegend im Inneren der Bohnen nachzuweisen. „Die ungleiche Verteilung der beiden Geruchsstoffe auf Samenschale und Embryo ist ein weiterer wichtiger Aspekt, den Betriebe bei der Überprüfung des Rohkakaos beachten sollten“, sagt Martin Steinhaus. Der leitende Wissenschaftler ergänzt: „Im Moment können wir zwar noch nicht sagen, wie viel Geosmin beim Röstprozess von den Schalen in die Samen übergeht. Es könnte aber durchaus sinnvoll sein, bereits vor dem Rösten die Samenschalen zu entfernen.“

Originalpublikationen
Porcelli C, Neiens S, Steinhaus M (2021) J Agric Food Chem. Molecular background of a moldy-musty off-flavor in cocoa, https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acs.jafc.1c00564

Füllemann D, Steinhaus M (2020) J Agric Food Chem, 68: 10833-10841, DOI: 10.1021/acs.jafc.0c04633. Characterization of odorants causing smoky off-flavors in cocoa, https://pubs.acs.org/doi/10.1021/acs.jafc.0c04633

Hintergrundinformationen

Förderung
Das IGF-Vorhaben AiF 19455 N der Forschungsvereinigung Forschungskreis der Ernährungsindustrie e.V. (FEI), Godesberger Allee 125, 53175 Bonn, wurde über die AiF im Rahmen des Programms zur Förderung der Industriellen Gemeinschaftsforschung (IGF) vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestages gefördert.

Vom Bundesverband der Deutschen Süßwarenindustrie e. V. zur Verfügung gestellte Fakten
Zur deutschen Kakao- und Schokoladenindustrie zählen rund 90 Unternehmen. Sie verarbeiten jährlich etwa 400.000 t Rohkakao, der zum überwiegenden Teil aus Afrika stammt. Seit 2011 ist der Anteil an nachhaltig produziertem Kakao von 3 auf 77 Prozent im Jahr 2020 gestiegen. Zu den beliebtesten Schokoladensorten in Deutschland zählen laut einer repräsentativen Umfrage der respondi AG: Vollmilchschokolade, Nougat-, Bitter- und Zartbitterschokolade sowie weiße und Haselnussschokolade. Im Jahr 2019 stellten deutsche Firmen insgesamt 220 Millionen Schoko-Osterhasen her. Davon gingen 106 Millionen in den Export. Zu den wichtigsten Exportländern zählen die EU, USA, Kanada und Australien, https://www.bdsi.de/zahlen-fakten/rohstoffverarbeitung/.

Experten-Kontakt
PD Dr. Martin Steinhaus
Leiter der Sektion I und der Arbeitsgruppe 
Sensory Systems Chemistry
Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie
an der Technischen Universität München
Lise-Meitner-Str. 34
85354 Freising
Tel.: +49 8161 71-2991
E-Mail: martin.steinhaus(at)tum.de

Presseverantwortlich
Dr. Gisela Olias
Wissenstransfer, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit
Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie
an der Technischen Universität München
Lise-Meitner-Str. 34, 85354 Freising
Tel.: +49 8161 71 2980
E-Mail: g.olias.leibniz-lsb@tum.de
www.leibniz-lsb.de

Informationen zum Institut

Das Leibniz-Institut für Lebensmittel-Systembiologie an der Technischen Universität München (Leibniz-LSB@TUM) besitzt ein einzigartiges Forschungsprofil. Seine Wissenschaftler kombinieren Methoden der biomolekularen Grundlagenforschung mit Analysemethoden der Bioinformatik und analytischen Hochleistungstechnologien. Ihr Ziel ist es, die komplexen Inhaltsstoffprofile von Rohstoffen bis hin zu den finalen Lebensmittelprodukten zu entschlüsseln und deren Wirkung auf den Menschen aufzuklären. Basierend auf ihrer Forschung entwickelte Produkte sollen dazu beitragen, die Bevölkerung auch in Zukunft nachhaltig und ausreichend mit gesundheitsfördernden, wohlschmeckenden Lebensmitteln zu versorgen. Darüber hinaus sollen die neu gewonnenen wissenschaftlichen Erkenntnisse dazu dienen, personalisierte Ernährungskonzepte zu entwickeln, die zum Beispiel Menschen mit einer Nahrungsmittelunverträglichkeit helfen, ohne dass die Lebensqualität eingeschränkt und die Gesundheit gefährdet ist.

Das Leibniz-LSB@TUM ist ein Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft, die 96 selbständige Forschungseinrichtungen verbindet. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften. Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit. Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen - u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen rund 20.000 Personen, darunter 10.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei mehr als 1,9 Milliarden Euro.

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